Delphinium staphisagria L. / Rittersporn...
...das Mittel bei verletzter Ehre
Das Arzneimittel Staphisagria (Scharfer Rittersporn) in homöopathisch zubereiteter Form gehört neben Ignatia und Natrium muriaticum zu den großen Gram- und Kummermitteln. Zudem hat es sich in der Homöopathie als ein wertvolles Mittel bei akuten und chronischen Krankheiten erwiesen. Gerade nach chirurgischen Eingriffen kann Staphisagria Schmerzen lindern und eine rasche Genesung fördern. Bereits die alten Griechen und Römer kannten die Pflanze und verwendeten sie als Salbe gegen Läuse, Stich- und Bißveletzungen.
Botanische Beschreibung
Der scharfe Rittersporn (Delphinium staphisagria L.), auch Stephanskraut, Läusepfeffer, Läusezahn, Stephans- oder Läusekörner genannt, gehört zur Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae). Die Heimat von Staphisagria liegt in Italien, Griechenland und Asien. Heute ist die Pflanze im gesamten Mittelmeergebiet sowie auch auf den Kanarischen Inseln verbreitet und wächst an schattigen, trockenen und steinigen Berghängen. Die meist zweijährige Staude mit ihren aufrechten, zottig behaarten Stängeln erreicht eine Höhe von 60 bis 120 Zentimetern und verzweigt sich erst in der Nähe ihres Blütenstandes. Die Blätter sind wechselständig angeordnet und besitzen ein handspaltiges Aussehen, während sich die blau- bis violettfarbenen Blüten endständig in den Monaten Juni bis August zu einer blütenreichen Traube formieren. Die unteren Stängelblätter sind lang gestielt, ihre Spreiten sind weit über die Mitte hinaus 3 - 7 teilig und dunkel bis blaugrün gefärbt. Die Blüten bestehen aus fünf ovalen, außen behaarten, blaugefärbten Perigonblättern mit grüner Spitze, wobei das obere Blatt an seinem Ende zusätzlich einen kurzgebogenen Sporn aufweist, der vom Aussehen an einen Delphin erinnert. Aus den Blüten entwickeln sich die mehrsamigen Balgkapseln, die nach der Reife aufplatzen, um die Samen (Stephans- oder Läusekörner) zur Keimung freizugeben.
Pflanzenverwandte in Ziergärten und auf Feldern
Zahlreiche Züchtungen, die vom Verwandten des scharfen Rittersporns, dem «Hohen Rittersporn» (Delphinium elatum L..) stammen, werden heute in Zier- und Bauerngärten gezogen. Sein natürliches Hauptverbreitungsgebiet befindet sich in den Gebirgen Mittel- und Südosteuropas. Heute gibt es zahlreiche Hybridsorten wie «Butterfly», «Galahad» oder «Rosy Future» (auch als «rotes Juwel» bekannt), die mit ihren verschiedenfarbigen Blüten die Gärtern verschönern. Auch der aus Südeuropa eingeführte einjährige Gartenrittersporn «Consolida ambigua» (Delphinium ajacis) ist mittlerweile mit seinen weißen, rosafarbenen, roten und hellblauen Blüten eine beliebte Gartenzierpflanze geworden. Der einjährige Feld- oder Ackerrittersporn (Delphinium consolida L., Consolida regalis S. F. Gray) ist durch die intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen sehr selten geworden und zählt zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Der bis zu 50 Zentimeter hohe Feldrittersporn gelangte wahrscheinlich mit dem Getreideanbau aus Kleinasien nach Mitteleuropa. Über einen langen Zeitraum hinweg wurde er zusammen mit dem Gartenrittersporn unter einem gemeinsamen Namen geführt, sodaß in Überlieferungen oft nicht genau hervorgeht, von welchem Rittersporn die Rede ist. Die Consolida regalis ist an dem aufwärts gerichteten, bis zu 2,5 Zentimetern langen Blütensporn zu erkennen. Ihre violetten, selten auch weißfarbenen Blüten sind in einer endständigen Traube angeordnet und blühen von Mai bis September. Ackerrittersporn kann auch im Garten kultiviert werden. Die Samen hierfür werden von Spezialversendern angeboten.
Dioskurides «Wilde Staphis»
Staphisagria war bereits dem Arzt Pedanius Dioskurides bekannt, der um 60 nach Christus in Rom praktizierte. In seiner Materia Medica schildert er die «Wilde Staphis» als ein geeignetes Brechmittel zur inneren Reinigung sowie auch als Salbe angewendet gegen Hautjucken, Krätze und Läuse. Unter den Römern wurde Rittersporn meist als Pedicularia (pediculus - Laus) bezeichnet, um auf die allgemein übliche Benutzung zur Vertreibung von Läusen hinzuweisen. Dioskurides beschreibt in seinem Werk unter anderem die dreikantigen, scharfschmeckenden Samen wie folgt: «Gibt man 15 Körner fein gerieben in Honigmeth, so erfolgt die Reinigung durch Erbrechen von dickem Schleim. Jedoch muß fortwährend Honigmeth dazu gegeben werden, wegen Gefahr der Erstickung und des Brennens im Schlunde. Auch gekaut ist sie sehr stark schleimführend und bei Zahnschmerzen ist sie hilfreich, wenn sie in Essig gekocht und als Mundspülwasser verabreicht wird». In den Kräuterbüchern von Adam Lonitzer (1527 - 1586), Hieronymus Bock (1498 - 1554) und Pietro Andrea Mattioli (1501 - 1577) finden sich hierüber ähnliche Eintragungen. Zudem sei hier noch der deutsche Arzt und Botaniker Jacob Theodor (1522 - 1590), alias Tabernaemontaus genannt, der den Rittersporn als ein hervorragendes Mittel gegen allgemeine Schmerzen, Nierensteine, Harngriess, Parasiten und bei Augengeschwüren beschreibt. Ähnlich wie die Körner von Cocculus (Kokkelskörnerstrauch) verwendete man die Samen von Staphisagria mancherorts auch beim Fischfang, um damit die Fische zu betäuben und diese danach bequem von der Wasseroberfläche aufsammeln zu können. Heute findet der Rittersporn aufgrund seiner Toxizität in der modernen Phytotherapie keine medizinische Verwendung mehr. Lediglich die getrockneten Blüten des Ackerrittersporns werden Teemischungen als Schmuckdroge beigegeben.
«Lerchenklau» und «Wilde Traube»
Der Name Staphisagria ist abgeleitet aus der altgriechischen Sprache. So bedeutet «Staphis» die Traube und «agrios» wild, roh oder scharfmachend, sodaß die Pflanze in der direkten Übersetzung als «Wilde Traube» bezeichnet werden kann. Dioskurides berichtet in seiner Arzneimittellehre über die Ähnlichkeit der Ritterspornblätter mit den Blättern des Weinstockes und vergleicht die scharfschmeckenden Staphiskörner mit den getrockneten Weinbeeren. Der botanische Name «Delphinium» stammt ebenfalls aus dem griechischen und weist auf die Ähnlichkeit der Blüte mit einem Delphin hin. Der Artname des Hohen Rittersporns «elatum» ist lateinischer Herkunft und heißt «hoch». Der Feldrittersporn (Consolida regalis S. F. Gray) heißt wörtlich übersetzt «Heile zusammen», denn consolidare bedeutet «festmachen» oder «zusammenheilen" von Wunden. Auch hinter diesen Namen verbirgt sich seine sehr alte Verwendung in der Volksmedizin. Der Artname «regalis» bedeutet «königlich» und stammt aus dem Lateinischen. Weitere Bezeichnungen der vielfältigen Ritterspornarten waren Hornkümmel, Lerchenklau, Adebarsnibben und Kreienfot.
Verwandtschaft mit giftiger Wirkung
Eine enge Verwandtschaft besteht botanisch wie auch bezüglich der Inhaltsstoffe mit dem stark giftigen Blauen Eisenhut (Aconitum napellus L.), der ebenfalls zur Familie der Hahnenfußgewächse gehört. Rittersporn enthält wie Eisenhut in sämtlichen Pflanzenteilen giftige Alkaloide, wobei diese im Rittersporn in geringeren Mengen vorkommen. Die giftigsten Anteile befinden sich hauptsächlich in den Samen, die beim Zerreiben einen eher unangenehmen Geruch verströmen. Die Stephanskörner enthalten die aconitähnlichen Diterpenalkaloide, wie unter anderem Delphinin, Methylaconitin, Delphisin, Delphinoidin, Delcosin, Delsonin, Lycoctonin und Staphisagrin. Bei lokalen Kontakt reagiert der Körper mit Reizung und Entzündung der Haut. Dies machten sich die alten Heilkundigen zu Nutze und entwickelten aus den scharfen Körnern eine über lange Zeit vertriebene Salbe gegen Läuse und Ungeziefer, die dann auch zur Behandlung von Stich- und Bißver- letzungen eingesetzt wurde. Hierzu ein Auszug aus Hahnemanns Reine Arzneimittellehre Band V: «Das Kopf-Ungeziefer vertilgend ward dieser Samen bei den Griechen 'phtheirokokkon' genannt und zu dieser Absicht kömmt sie noch in eine officinelle Salbe (unguentum pediculorum)». Das Vergiftungsbild bei innerer Einnahme äußert sich in beginnender Entzündung im Rachenraum, vermehrtem Speichelfluß, Schluckbeschwerden, Juckreiz der Haut, Harndrang, Durchfall, allgemeiner Muskelschwäche, Muskellähmungen, Magenschmerzen und führt im schlimmsten Fall zu Atemnot, Kollaps und Herzstillstand. Diese Wirkungen sind jedoch bei Verwendung von Feldritterspornblüten wegen der niedrigen Konzentration nicht zu erwarten.
Achtung:
Generell sollten Familien mit Kindern keine giftigen Pflanzen im eigenen Garten ziehen.
Infos zur Giftberatung finden Sie unter:
VergiftungsInformationsZentrale - Wien
Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum
Toxikologische Abteilung - II. Med. Klinik der Technischen Universität München
«Arnica der Psyche»
Die Spitze am langgezogenen Sporn des oberen hinteren Kelchblattes erinnert an einen Stachel. Dies zeigt bereits den homöopathischen Wirkungsraum bei Schnittwunden von scharfen Instrumenten und deutet auf die empfindsame und leicht verletzbare Seele des Betroffenen hin. So berichtet die französische Psychiaterin und Homöopathin Dr. Jacqueline Barbancey von der «Arnica der Psyche» als ein Mittel für die schwer zu verarbeitende innere seelische Anspannung und Kränkung die keine Verteidigung zulässt. Auch äußerliche Schnittwunden, die etwa durch Operationen entstanden sind, heilen schwer. In diesen Fällen hat sich Staphisagria als Akutmittel bestens bewährt und unterstützt die Heilung von allen glatten Schnittwunden. Staphisagria beseitigt auch die traumatischen Wirkungen einer Katheterisierung und die Folgen von gynäkologischen Eingriffen. Es ist somit hilfreich bei vielen Eingriffen im Genitalbereich, bei denen nicht nur das Gewebe, sondern auch die Würde der Staphisagria-Persönlichkeit verletzt wird. Siehe auch unter: Homöopathische Hausapotheke - Verletzungen
Arzneimittelprüfung
Ausgangsstoff für das homöopathische Arzneimittel Staphisagria sind die getrockneten Samen (Stephanskörner), aus denen die Urtinktur hergestellt wird. Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) veröffentlichte im Jahre 1826 in der «Reinen Arzneimittellehre» seine erste Arzneimittelprüfung mit etwa 280 Symptomen. Er schrieb von der starken krankmachenden Kraft der Samen, die sich in heftigsten Symptomen äußert. So erhoffte er sich nach homöopathischer Aufbereitung gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip eine ungeheure Heilkraft dieser Substanz bei der Behandlung unterschiedlichster Krankheiten. Es wurde ausser durch Hahnemann auch von Cubitz, Gross, Hartmann, Hornburg, Langhammer, Stapf und anderen geprüft.
Stolz und Würde
James Tyler Kent (1849 bis 1916) schildert das Wesen von Staphisagria als Gefühl tiefster Beleidigung, Kränkung und enttäuschter Liebe. Der Betroffene wendet sich schließlich voller Stolz und Würde gekoppelt mit innerer Empörung und Entrüstung ab. Der aufgestaute Zorn wird dabei mit aller Kraft unterdrückt, sodaß Erschöpfung und Schlaflosigkeit eintreten. Die Staphisagria-Person kann sich im Zustand der Entrüstung nicht verbal äußern, es verschlägt ihr schier die Sprache. Letztendlich entwickelt die indignierte Staphisagria-Persönlichkeit Beschwerden, die durch Kränkung entstanden sind, wie es sich zum Beispiel am Bild einer chronischen Reizblase mit häufigen Harndrang zeigen kann. Die unterdrückte Wut, der aufgestaute Zorn treten nicht offensichtlich in Erscheinung, sodaß die Staphisagria-Konstitution nach außen eine gewisse Sanftheit und Freundlichkeit ausstrahlt. Sie ist im Allgemeinen sehr beliebt, um andere besorgt, möchte selbst niemanden zur Last fallen und will dabei um jeden Preis ihre Selbstachtung erhalten. Erst wenn ehrliches Interesse an all ihren Problemen und Gefühlsregungen gezeigt wird, gestattet sie Einblicke in ihr Seelenleben. Hierbei ist die Ähnlichkeit zu Ignatia sehr groß.
Beschwerden durch verletzte Ehre
Die Emotion Entrüstung oder Ärger gehört zu den auffallendsten Eigenschaften der Staphisagria-Persönlichkeit. Der edle Kämpfer (Ritter), der gedemütigt wurde und nun entrüstet ist. In folgenden Rubriken im Synthesis sind unter anderem Symptome aufgeführt wie: Beschwerden durch Zorn (Ärger), Beschwerden durch Entrüstung oder Beschwerden durch verletzte Ehre. Über einen langen Zeitraum hinweg gelingt es ihm nach außen sehr kontrolliert und sogar fröhlich zu wirken. Da es jedoch kein gesundes Ventil zum Ablassen der angestauten Emotionen gibt, braut sich plötzlich und völlig überraschend eine bebende Wut bis hin zu Gewaltausbrüchen auf, oft mit dem Drang, mit Gegenständen um sich zu werfen. (Rubrik: Gemüt - wirft mit Gegenständen um sich oder Gemüt - wirft mit Gegenständen um sich, nach Personen, die ihn beleidigt haben). Die Betroffenen können so ausrasten, dass sie jegliche Beherrschung verlieren. Was jedoch fehlt, ist der langanhaltende und aufgestaute Hass, wie es bei Natrium muriaticum der Fall ist. Das Gefühl der verletzten Ehre kann nicht abgebaut werden. Langjähriges Erdulden sowie gelegentlich zorniges Aufbegehren bringen grundsätzlich keine Besserung. Schließlich verfallen die Betroffenen in Resignation, Depression und Verhärtung. Sie finden kaum noch Vergnügen am Leben, quälende Gedanken von erotischen, romantischen und sexuellen Vorstellungen sind ständig präsent und es erwacht ein unwiderstehlicher Drang zur Selbstbefriedigung. Aufgrund der ständigen Verdrängung von Kummer und Demütigung verschlimmern sich die verschiedensten Beschwerden nach Masturbation. (Rubrik: Gemüt - Gedanken, quälend - sexuell, Gemüt - Gedanken, drängen auf ihn ein und schwirren durcheinander - sexuell, Gemüt - Beschwerden durch sexuelle Exzesse). Auch können sich mitunter Wahnideen einstellen. Die Betroffenen ängstigen sich vor ihrem eigenen Schatten oder fürchten sich vor Personen, die sich angeblich hinter ihrem Rücken befinden. (Rubrik: Gemüt - Furcht, vor seinem eigenen Schatten, Gemüt - Wahnideen - Menschen, Personen - hinter ihm - jemand sei).
Körperliche Symptome von Staphisagria
Anhand des psychischen Bildes von Staphisagria können sich zahlreiche Beschwerdebilder entwickeln, wie Reizblase, Prostatitis, Koliken, inneres Zittern, verhärtete Mandeln, Lymphknoten und Drüsen. Auch Kopfschmerzen, ausgelöst durch Ärger und Entrüstung oder Schmerzen in Stirn und Hinterkopf mit dem Gefühl «als ob eine kleine Kugel in der Stirn festsitze» sind zu beobachten. Zudem sei Staphisagria noch als ein Mittel bei Blasenentzündungen zu nennen, die durch unterdrückte Gefühle, aber auch bei jung verheirateten Frauen nach häufigen Intimverkehr auftreten. Siehe auch unter: Harnwegsinfekt. Immer wiederkehrende Scheidenpilzinfektionen sind dabei keine Seltenheit. Bei Männern führt die Unterdrückung ihrer Gefühle zu Prostatitis (Entzündung der Vorsteherdrüse) oder auch zum Prostata-Adenom (Vergrößerung der Vorsteherdrüse). Die starken emotionalen Gefühle, die innerlich im Zaum gehalten werden, zeigen sich auf der körperlichen Ebene in Gewebs-Verhärtungen, sodaß es nicht verwunderlich ist, wenn an den Augenlidern rezidivierende Gersten- und Hagelkörner, verhärtete Narben, Gichtknoten und polypenartige Wucherungen, Warzen und Kondylome (Feigwarzen) auftreten.
Weiterführende Literatur!
Eine bislang einmalige Darstellung der 35 wichtigsten Homöopathika. Verständlich und detailliert werden die typischen Charakterbilder vorgestellt, ohne deren Kenntnis eine sinnvolle Behandlung nicht zu leisten ist. Unentbehrlich für den Therapeuten und ein Weg zur Selbsterkenntnis und Intuition für den Laien. Dr. Philip Bailey studierte Homöopathie am Royal London Homeopathic Hospital und bei dem griechischen Homöopathen George Vithoulkas. Bailey hält weltweit Vorträge und Seminare und arbeitet als Arzt und Homöopath in Perth, Australien.
Psychologische Homöopathie
Persönlichkeitsprofile von großen homöopathischen Mitteln
von Philip M. Bailey und Gisela Kretzschmar
Broschiert: 544 Seiten
Verlag: TRIAS