Opium / Papaver somniferum...

...das Pendel zwischen Schlaflosigkeit und Schläfrigkeit

Die herausragende Eigenschaft von Opium (Papaver somniferum) ist die Empfindungslosigkeit, Schläfrigkeit und Trägheit. Auch bei seelischen Schockzuständen kann es angewendet werden, wenn die betroffene Person einen Unfall miterlebt hat. Beschwerden durch Schreck beim Anblick eines Unfalls.

Botanische Beschreibung

Schlafmohn ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt. Papaver somniferum wurde in Europa bereits vor etwa fünftausend Jahren von der jungsteinzeitlichen Bauernkultur der Bandkeramiker angebaut. Die ein- bis zweijährigen Pflanzen zählen zur Gattung der Mohngewächse (Papaveraceae). Die Familie der Mohngewächse wird in drei Unterfamilien mit etwa 40 Gattungen und über 100 Arten eingeteilt. Aus der Pfahlwurzel des Schlafmohns wächst ein aufrechter, wenig verzweigter Stängel hervor, an dem in wechselständiger Anordnung eiförmige, am Rande gesägte Laubblätter zu sehen sind. Papaver somniferum erreicht eine Höhe von bis zu 1,50 Metern. Am Ende des Stängels erscheinen von Juni bis August die vier violetten oder weissen Kronblüten. Sind noch die Knospen vorhanden, haben die Stängel eine nach unten gebogene Form. Erst beim Aufblühen richten sie ihre Blüten nach oben. Danach reift eine kugelige Kapselfrucht mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern heran. Sie enthält viele kleine, braune, graue oder hellbraune Samen. Ritzt man die Kapsel an, tritt ein ein weisser Milchsaft aus, der als Latex oder Papaveris immaturi fructus bezeichnet wird und Alkaloide enthält. Diese beinhalten stickstoffhaltige Substanzen, die für den Menschen meist giftig sind. Derzeit gibt es etwa hundertzwanzig Mohnarten, die allgemein im Bezug auf drei markante Merkmale übereinstimmen: Mohngewächse besitzen meist vier Blütenblätter, die Fruchtkapseln enthalten bis zu fünfhundert winzige Samen und die grünen Bestandteile sind von Milchsaftröhren durchzogen.

Das Laudanum

Seit Jahrtausenden wird aus Schlafmohn der berauschende Saft zur Herstellung von Morphin gewonnen. Lange bevor die Medizin die Probleme der Drogensucht erkannt hatte, waren diese in der Gesellschaft weitgehend akzepiert. Einige davon galten sogar - wie das Marihuana - als Medizin und auch Opium wurde nicht nur zur Schmerzstillung, sondern auch gegen Krankenheiten wie beispielsweise Ruhr, Asthma, Menstruationsbeschwerden oder Rheuma eingesetzt. So schreibt der Autor Martin Booth in seiner «Geschichte des Opiums» darüber, dass Laudanum (Opium-Tinktur) vielfach bei Menstruationsbeschwerden eingenommen wurde. Ferner berichtet er, dass Frauen, die von Natur aus unter nervösen Beschwerden litten, ihr Leben mit Opium in geringer Dosis erträglicher gestalteten. Auch der Medizinhistoriker Jim Hogshire weist darauf hin, dass Frauen in Zeiten der Industrialisierung wesentlich mehr Opium einnahmen als Männer, weil sie keine Lokale aufsuchen durften, in denen man Alkohol trinken konnte. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde die Opiumtinktur als Laudanum bezeichnet. Sie geht auf ihren ErfinderParacelsus zurück, er war davon überzeugt, mit Laudanum ein Allheilmittel gegen die unterschiedlichsten Beschwerden entdeckt zu haben. Daher bezeichnete er Laudanum auch als den « Stein der Unsterblichkeit». Die Inhaltsstoffe der Tinktur hatte er zu neunzig Prozent aus Wein und zu zehn Prozent aus Opium angemischt.

Entdeckung des Morphins

Opium wurde bis Anfang des 1900 Jahrhunderts ohne umständliche Vorbehalte bei schmerzhaften Krankheiten verabreicht. Im Jahr 1805 entdeckte der deutsche Apotheker Friedrich Adam Sertürner (1783 bis 1841) in der Mohnpflanze das Morphin. Erst dann wurden die verborgenen Eigenschaften des Opiums aufgedeckt. Ihm gelang es als Erstem, das schmerzlindernde und schlaffördernde Mittel in kristalliner Form zu isolieren. Er nannte es Morphin, nach der griechischen Gestalt Morpheus, dem Gott des Schlafes. Der Gattungsname «Papaver» soll ähnlich wie der lateinische Begriff von «cadáver» (Leichnam) stammen. Das Aktiv Perfekt des Wortes «Papaver» deutet auch auf «aufgeblasen» hin. Dieser Name soll nach dem klatschenden Geräusch entstanden sein, der beim Zerschlagen der Blumenblätter (Klatschmohn) entsteht. Eine weitere Ableitung von «Papaver» soll aus dem lateinischen «papa» (Kinderbrei) und «verum» (echt) herrühren. Aus den sedierenden-schlafbringenden Effekten leitet sich eine andere deutsche Bezeichnung für Schlafmohn ab: So entstand das Wort «somniferum», was wörtlich übersetzt «den Schlaf bringend» bedeutet. Im Volksmund wird die Pflanze als Magan, Magenkraut, Magesamo, Magsamen oder Mägisamen bezeichnet. Im Englischen lautet der Name «poppy», welcher nach den Kapseln benannt ist.

Die Schriftrolle «Papyros Ebers»

Schon die Ägypter kannten den Schlafmohn: Erste Hinweise hierfür finden sich in der Schriftrolle des Papyrus Ebers aus der Zeit um 1500 vor Christus. Das Schriftstück wird heute in der Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrt. Bei den Römern wurde Opium zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Medizin. Sie entwickelten den sogenannten Theriak. Dieser Trunk - vermischt mit Opium - war im Mittelalter ein Universalheilmittel gegen alle möglichen Krankheiten und Gebrechen. Der berühmte persische Arzt Avicenna, der «Fürst der Ärzte», stellte eine Medikation, das sogenannte «Honig Klistier» zur Vorbereitung von Operationen zusammen. Es war außerordentlich beliebt und enthielt neben Opium auch Haschisch und Bilsenkraut. So konnte man bereits Narkosen in mehr oder weniger richtiger Dosierung verabreichen.

Beobachtung von Vergiftungserscheinungen

Der englische Arzt und Homöopath John Henry Clarke (1853 bis 1931) schreibt in seinen Schriften über die Droge: «Opium ist eine der interessantesten Substanzen der Materia Medica. Neben Mucilago, Eiweiß, Zucker und den Salzen von Ammonium, Kalzium und Magnesium enthält es achtzehn Alkaloide und zwei neutrale Substanzen sowie die Mekonsäure. Zu den Alkaloiden von Opium gehören Apomorphinum, Codeinum und Morphium, die alle in der homöopathischen Materia medica verwendet werden.» Auch Julius Mezger berichtet in seiner «gesichteten homöopathischen Arzneimittellehre», dass die Hauptwirkung von Opium auf einer Reihe von verschiedenen Alkaloiden beruhe und zählt Morphin, Papaverin, Codein, Narcotin und Narcein als die wichtigsten Wirkstoffe auf. Opium wirkt auf das Zentralnervensystem und die vegetativen Nerven. Es vermittelt Informationen an alle Organe, die sich in Überreizung oder Lähmung äußern. Die Kenntnis um die Wirkung von Opium kennt die Homöopathie von Prüfungen am Gesunden sowie von Vergiftungsfällen durch Überdosierung beim Opiumrauchen. So kommt es bei der Verwendung in entsprechender Dosierung zu Vergiftungserscheinungen. Zuerst äußert sich der Zustand in Euphorie, Überempfindlichkeit der Sinnesorgane, glücklichen Phantasiebildern und Schlaflosigkeit. Bereits nach etwa einer Stunde kommt es dann zu Empfindungen der Schwere, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und starker Benommenheit. Zur selben Zeit tritt eine komatöse Schläfrigkeit oder Bewußtlosigkeit ein. Desweiteren kommt es bei einer akuten Opium-Überdosierung zu einer Atemdempression mit hochgradiger Pupillenverengung. Die nächsten Erscheinungen zeigen sich zunächst in einer Beschleunigung und dann in einer Abschwächung der Herztätigkeit. Als weitere toxische Reaktion sinkt die Körpertemperatur sowie das Harn- und Stuhlverhalten. Letztlich kommt es zum Koma, das mit dem Tod endet.

Opium in der Homöopathie

Die Ausgangssubstanz wird aus dem eingetrockneten Milchsaft des schwarzen Opiums hergestellt. Die Urtinktur wird danach verdünnt und verschüttelt. Im homöopathischen Einsatz gibt es bei Opium zwei Charaktere. Zum einen die benommenen Sinne, Stumpfheit sowie die Schläfrigkeit und zum anderen den nervlich übersensiblen und aktiven Zustand. Die wechselhaften Polaritäten sind im Opium-Arzneimittelbild stark ausgeprägt. Wie ein Pendel verhält sich die Stimmungslage der betroffenen Person: Zuerst glückselig, euphorisch, das andere Mal ängstlich, hilflos und verstimmt. Auch in Bezug zur körperlichen Ebene kommt diese Zwiespältigkeit zum Tragen, so wechseln sich beispielsweise Verkrampfungen mit Lähmungen und Schwäche ab. Diese wechselnden Übergänge der körperlichern und seelischen Verfassung sind in der Homöopathie für die Auswahl des Arzneimittels von großer Bedeutung. Ferner ist Opium ein zentrales Mittel bei Beschwerden, die durch einen Schreck auftreten. Vor allem das Miterleben nach einem Unfall kann auf Opium hindeuten: Hierbei können ein Zittern der Glieder, Tremor, Schlaflosigkeit, Herzrasen, Durchfall, Einnässen oder Stuhl- und Harnverhalten als Symptomenbild in Erscheinung treten.

Leitsymptome des Gemüts

  • Verlangen nach Aktivität
  • Auffahren, Zusammenfahren aus dem Schlaf
  • Geistige Beweglichkeit
  • Erregung des Gemüts
  • Beschwerden durch Anblick eines Unfalls
  • Beschwerden durch Tod von geliebten Personen
  • Empfindlich gegen Geräusche
  • Froh gefolgt von Reizbarkeit
  • Furcht wegen eines vorangegangenen Schrecks
  • hat Furcht und ist zittrig
  • ist geistesabwesend und verträumt
  • ist gleichgültig und apathisch und klagt nicht
  • Mangel an Ideen und Einfällen
  • Ideen, Reichtum an Einfällen
  • Phantasien beim Schweiß
  • Schreien im Schlaf

Bei der Opium-Konstitution zeigen sich oft gegensätzliche Phasen. Auftretende Störungen gehen oft mit Schlafsucht, Schlaflosigkeit oder Schlafstörungen auch bei geringsten Geräuschen einher. Während des Schlafens schnarchen sie laut, dabei ist das Gesicht rötlich gefärbt und mit Schweiss bedeckt. Ferner zeigt der Kranke ein mangelndes Schmerzempfinden und andererseits kann er höchst empfindlich auf Schmerzen reagieren. Weitere auffallende Merkmale äußern sich in einer übermächtigen Unternehmungslust, die sich im Wechsel mit  einer starken Trägheit bis hin zur Lethargie ablösen kann. Nach Schreck oder Schock flüchten sich die Betroffenen in eine innere Welt mit Empfindungs- und Reaktionslosigkeit. Alle Beschwerden verschlimmern sich nach dem Schlaf sowie durch große Wärme. Kalte Speisen und Getränke verbessern den Zustand.

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