Erbsen - grüne Perlen aus den Schoten
Unübertroffen ist der Gesundheitswert der Erbsen - so besitzen sie nach neuesten Erkenntnissen krebshemmende Eigenschaften. Außerdem schmecken sie nicht nur gut, mit ihren weißen bis hell-violetten Blüten verleihen sie jedem Garten einen neuen Zauber.
«Alle Welt ist toll darauf», schrieb im Jahr 1696 eine Dame der adligen Gesellschaft am Hofe Ludwig XIV. Regelmässig wurden grüne Erbsen an der Hoftafel des Sonnenkönigs serviert, denn sie waren dort der letzte Schrei. «Die grünen Erbsen bilden fortwährend den Hauptgegenstand aller Unterhaltung. Die Ungeduld, welche zu essen, das Vergnügen und der Triumph, schon welche gegessen zu haben, und die Freude, deren bald wieder zu essen, sind die drei Punkte, um die sich seit vier Tagen alle Gespräche drehen», schwärmte die Adelsdame von den «petits pois». Grüne Erbsen waren lange Zeit in erster Linie als Trockenfrüchte begehrt und bekannt. Relativ jung ist dagegen die Mode, die unreifen Samen der Erbse zu ernten und frisch zu verzehren. Obwohl direkt vom Strauch gegessene Erbsen nach wie vor ein Hochgenuss sind, führen sie in der heutigen Zeit eher ein Schattendasein, da über neunzig Prozent der Ernte in die Produktion von Tiefkühlware und Konserven wandert. Heute werden Gemüseerbsen in praktisch allen Ländern der Erde auf einer Gesamtfläche von rund 750 000 Hektaren angebaut, dabei sind die grössten Anbauflächen in Europa, USA und Indien zu finden. In der Schweiz wurden nach Angaben der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen (SZG) im Jahr 2007 rund 6300 Tonnen frische grüne Erbsen geerntet sowie weitere 121 Tonnen aus dem Ausland importiert.
Ein Mittel gegen Geister
Höchst wahrscheinlich hat die Natur die wilden Vorfahren der Erbse - Pisum elatius und Pisum humile - im Vorderen Orient wachsen lassen, von dort dehnten sich die beliebten grünen Perlen schon in vorgeschichtlicher Zeit bis in unsere Gefilde aus. So waren Erbsen, ebenso wie Linsen, Emmer, Einkorn und Gerste in der Zeit der Bandkeramiker - eine der ältesten mitteleuropäischen Ackerbaukulturen - in der frühen Steinzeit um 4500 vor Christus ein wichtiges und begehrtes Grundnahrungsmittel. Während dieser Periode hatten sich aus den Wilderbsen bereits Kulturformen entwickelt. Auch neolithische Funde aus den Schweizer Moor- und Pfahlbauten belegen die frühe Verwendung der Erbse. Im Mittelalter wurden Erbsen hauptsächlich zur Herstellung von Erbsenbrühe verwendet. Diese diente vor allem als Würze für Saucen und Suppen sowie für die unterschiedlichsten Fleisch- und Fischgerichte. Erbsen galten aber nicht nur als ein ausgezeichnetes Nahrungsmittel, sondern aufgrund ihrer Vielsamigkeit auch als Fruchtbarkeitszauber und Mittel gegen Geister. Man denke beispielsweise an den heidnischen Brauch des «Klöpflens» aus dem Bodenseegebiet: Dort werden an den letzten drei Donnerstagen - dem nach Donar benannten Wochentag - im Advent trockene Erbsen an die Stubenfenster geworfen, um damit nach altem Glauben die herumstreifenden Toten- und Fruchtbarkeitsgeister anzukündigen. Im Laufe der Zeit rankten sich um die Erbse als bedeutende Kulturpflanze immer mehr Aberglaube, Brauchtum und Ritual. Wer kennt nicht das Märchen von «der Prinzessin auf der Erbse», dem empfindlichen Mädchen, das durch all die zwanzig Matratzenschichten ihres Bettes die Erbse immer noch als etwas qualvoll Hartes wahrgenommen hat? Erbsen spielen aber auch in der Biologie eine wichtige Rolle: Der Augustinerpater Johann Gregor Mendel (1822 bis 1884) benutzte Erbsen und Bohnen, um an ihnen die Gesetze der Vererbung zu studieren. Auf seiner «Mendelschen Vererbungslehre» beruht heute letztendlich die moderne Wissenschaft der Genetik.
Die Vielfalt des Sortenspektrums
Erbsen sind unter den Hülsenfrüchtlern, auch Leguminosen genannt, die ältesten Nutzpflanzen überhaupt - zugleich sind sie Lebensmittel, Viehfutter, Stickstoffdünger und Grundstoff für kompostierbares Verpackungsmaterial. Sie zählen neben Bohnen und Linsen zur grossen Familie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae) und bilden mit rund 700 Gattungen und bis zu 18.000 Arten die drittgrösste Familie der Blütenpflanzen nach den Korbblütlern und den Orchideen. Von den eiweissreichen Erbsen gibt es heute mehr als 250 verschiedene Sorten, die sich in Grösse, Form und Farbe voneinander unterscheiden. Es sind einjährige krautige Pflanzen, die an einem dünnen Haupttrieb mehrere Seitentriebe mit runden Blättern entwickeln. Die obersten Blättchen sind zu Ranken umgebildet, wodurch die Erbsenpflanzen bis zu zwei Metern hoch klettern können. An ihren Trieben sitzen bis zu vier weisse oder violette Schmetterlingsblüten, aus denen später die Erbsenhülsen entstehen. In diesen Hülsen oder Schoten sind bis zu zehn Samenkörner enthalten, die unreif (grün) als Pflück- oder Gemüseerbsen je nach Sorte vom Frühsommer bis Anfang Herbst geerntet werden. Als Trockenerbsen hingegen werden alle Samenkörner bezeichnet, die in der Hülse an der Pflanze ausreifen. Darüber hinaus unterscheidet man neben der Acker- oder Futtererbse, die als Viehfutter dient, drei wesentliche Gruppen der Speiseerbse für die menschliche Ernährung: Palerbsen, Markerbsen und Zuckererbsen. Wahrscheinlich wurden zunächst Palerbsen verwendet, die auch als Schal-, Kneifel-, Roll- oder Brockelerbsen sowie in der Schweiz als Auskernerbsen bezeichnet werden. Diese besonders stärkereiche Sorte besitzt glatte, runde Samenkörner, die schnell ihren anfänglich süssen Geschmack verlieren und mehlig werden. Schalerbsen kommen meist als Trockenerbsen auf den Markt - sie schmecken aber auch frisch hervorragend, solange die Erbsenkörner in der Hülse noch klein und zart sind. Markerbsen, die fälschlich oft als Zuckererbsen bezeichnet werden, sind zarter und süsser als Schalerbsen und landen frisch oder aus Konservendosen und Tiefkühlware auf unseren Tellern. Die echten Zuckererbsen, Kaiserschoten oder Kefen, in der Schweiz auch Schleckerbs, Fresserbsli, Hodelerbse, Mäuchli oder Rondali genannt, werden im jungen und unreifen Zustand samt den Hülsen gekocht. Sie unterscheiden sich gegenüber den anderen Sorten dadurch, dass sie an der Innenwand der Hülse keine ungeniessbare Pergamentschicht bilden. Kefen haben einen hohen Zuckergehalt und schmecken deshalb sehr saftig und süss.
Spargelerbse - Kuriosität für den Garten
Manche Liebhaber holen sich die Spargelerbse (Tetragonolobus purpureus Moench oder Lotus tetragonolobus L.), einen weiteren Vertreter aus der Familie der Schmetterlingsblütler, wegen ihrer attraktiven tiefroten Blüten und dem spargelähnlichen Geschmack ihrer essbaren Hülsen in den Garten. Ursprünglich kommt die Spargelerbse aus den Ländern rund um das Mittelmeer sowie jenseits des Kaukasus. Die Wildform der Spargelerbse in Europa ist vom Aussterben bedroht, eine entsprechende Kulturform ist jedoch über spezialisierte Gärtnereien und Saatgutinitiativen leicht zu bekommen. Die Spargelerbse, die übrigens mit dem Spargel botanisch nichts gemeinsam hat, wird im Handel in nur sehr beschränktem Umfang von Juni bis Oktober angeboten. Angebaut wird sie in ganz Westeuropa, überwiegend allerdings von Gartenfreunden: «Einerseits wird die hübsche Pflanze mit den dekorativen Blättern und dunkelroten Blüten geschätzt, und dann das exquisite Gemüse, das sich praktisch nur Hausgärtner leisten können,» sagt Christine Zollinger von der gleichnamigen Samengärtnerei, dem ältesten biologischen Saatzuchtbetrieb der Schweiz, denn «aufwändige Erntearbeit würde dieses Gemüse sehr teuer machen.» Die Spargel- oder Flügelerbse ist ein einjähriges, buschig wachsendes Kraut mit etwa vierzig Zentimetern langen, teils aufrechten, teils kriechenden Trieben. Man kann sie bodendeckend wachsen lassen oder auch - wegen der hübschen Blüten und bizarren Früchte - an Zäunen hochleiten, die Pflege beschränkt sich auf ausreichendes Wässern, vor allem in längeren Hitzeperioden. Wer die Spargelerbse in seinem Garten gedeihen lassen möchte, sät sie im zeitigen Frühjahr aus, weiss Christine Zollinger: «Wir säen die Spargelerbse im April direkt ins Gartenbeet in Reihen von dreissig Zentimetern und in der Reihe mit fünf Zentimetern Abstand. Die geflügelten Hülsen fortlaufend ab Juni möglichst jung ernten (wenn man sie mit dem Fingenagel sehr leicht einkerben kann), sonst sind sie schnell hart und nicht mehr geeignet zum Kochen.» Kurz blanchiert oder in Butter gedünstet sind sie eine köstliche Beilage zu Fleisch- und Gemüsegerichten, sie eignen sich aber auch für Eintöpfe und Gemüsesuppen. In Asien gelten die eigenwilligen, kantigen Hülsen mit vier Flügelchen als Delikatesse.
Grün, rund und gesund
Was Erbsen für unsere Gesundheit so aussergewöhnlich macht, ist die Zusammensetzung ihrer verschiedenen Inhaltsstoffe und der Reichtum an Ballaststoffen - diese entgiften, senken den Cholesterin- und Blutfettspiegel und beseitigen lästige Verstopfungen. Die in den grünen Erbsen enthaltenen Ballast- oder Faserstoffe binden dabei im Darm die Gallenflüssigkeit und schliessen sie im Stuhl ein. Dänische Wissenschaftler haben festgestellt, dass der Verzehr von Erbsen auch die Triglyceridwerte niedrig hält - diesen Blutfetten kommt eine tragende Rolle bei der Entstehung von Herzerkrankungen zu. Ausserdem besitzen Erbsen - zusammen mit anderen Hülsenfrüchten - den höchsten Eiweissgehalt unter pflanzlichen Lebensmitteln. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dabei jedoch zu verzeichnen: Es fehlen einige wichtige Eiweiss-Bausteine (essentielle Aminosäuren), die allerdings durch die Kombination mit anderen eiweisshaltigen Lebensmitteln wie Getreide, Reis oder Mais ausgeglichen werden können. Zudem liegen die Kohlenhydrate der Erbsen in komplexer Form von Zucker und Stärke vor, so dass der Blutzuckerspiegel nach dem Essen nur langsam steigt. Bei Vorliegen einer Arteriosklerose und erhöhten Blutfett- und Zuckerwerten sollten Sie Erbsen daher regelmässig auf Ihren Speiseplan setzen. Von besonderem Wert ist auch der Gehalt an Vitamin B1, dem Vitamin für die optimale Versorgung der Nerven: Sie werden dadurch belastbarer und Ihre Gemütsverfassung bleibt stabil. Das ausserordentliche fettarme Gemüse versorgt zudem den Körper mit Vitamin A, B2, C, E und Folsäure sowie mit Calcium, Kalium, Magnesium, Jod und Zink. Und als «Sahnehäubchen» obendrauf: Erbsen wirken auch als Krebsblockade, wie die Ernährungsmedizinerin Dr. Mary Ellen Camire an der Universität von Maine in Orono feststellen konnte. Sie enthalten Chlorophyllin, ein Pigment, das für ihre glänzende grüne Farbe verantwortlich ist. Eng verwandt mit dem Chlorophyll fängt es aufgrund seiner speziellen Molekularstruktur krebserregende Stoffe im Körper ein. «Wenn sich das Chlorophyllin mit den Karzinogenen verbindet, können diese vom Organismus nicht aufgenommen werden», erklärt Dr. Camire. «Allerdings können wir bislang keine genaue Aussage treffen, wie hoch die Menge an gegessenen Erbsen ausfallen müsste, damit der Körper davon genügend erhält».
Glänzend in Form durch Küchenpraxis
- Am besten schmecken frisch geerntete Erbsen. Fällt die Ernte aus dem eigenen Garten reichhaltig aus, können Sie sie auch problemlos einfrieren. Hierfür die gepalten (aus der Hülse herausgelösten) Erbsen etwa zwei Minuten blanchieren, im Eiswasser den Garvorgang stoppen und anschliessend in den Kälteschlaf legen.
- Beim Einkauf sollten Sie darauf achten, dass die Schoten glatt, grün und glänzend aussehen und keine gelben und strohigen Stellen aufweisen. Im Gemüsefach des Kühlschranks lassen sie sich zwei Tage lang gut lagern.
- Mark- und Palerbsen müssen aus der Hülse herausgelöst werden. Durch Druck auf die beiden Nähte platzen die Hülsen auf und die runden Samen lassen sich mit den Fingern leicht lösen.
- Zuckerschoten verspeist man samt ihrer Hülse, lediglich die an den Nähten befindlichen Fasern müssen entfernt werden.
- Damit die Erbsen während der Zubereitung ihre leuchtende grüne Farbe behalten, geben Sie eine Prise Zucker ins Kochwasser. Aber auch durch das Abschrecken mit Eiswasser bleiben Erbsen und Zuckerschoten schön grün.
Weiterführende Literatur!
Wer sich gesund und fleischlos ernähren möchte, dem liefert dieses Buch über 100 abwechslungsreiche Rezepte für jede Jahreszeit. Dabei zeigt sich: Kreatives Kochen, Schnelligkeit und regionale Zutaten müssen sich nicht ausschließen. Alle Rezepte aus 'Vegetarisch Kochen' sind familienerprobt, von den Ernährungsexperten der Verbraucherzentrale empfohlen und vielseitig: Zu jeder Jahreszeit gibt es Suppen, Salate, Hauptspeisen – herzhaft oder süß – und Geschenke aus der Küche. Ausgezeichnet mit der Silbermedaille 2015, Gastronomische Akademie Deutschlands e.V., GAD.
Vegetarisch kochen
Saisonal, gesund und lecker
von Kathi Dittrich
Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
Verlag: Verbraucher-Zentrale NRW