Die vierzehn Schutzheiligen

Seit Christi Geburt gehören auch andere Heilige, Ahnen, Schutzherren und Schutzpatrone zu unserer Kultur, die in nahezu allen Situationen um Beistand angerufen wurden. Das Vertrauen auf ihre Fürbitte gründet sich auf ihr enges Verhältnis zu Gott. Die Verehrung der Heiligen fand ihren Beginn nicht nur in der Liturgie, Kunst und Geschichte, sondern auch in der Pflanzenkunde und Volksmedizin. Ob Christophorus-Plaketten oder Barbarazweige, fast jeder kennt diese Symbole des religiösen Brauchtums. Dennoch wissen nur wenige, dass die beliebten Gebräuche eng mit den vierzehn Nothelfern verbunden sind. Sie werden noch heute verehrt und begleiten die Gläubigen.

Anfänge des Nothelferkultes

Wie in vielen anderen Kulturen und Religionen wurden auch im Christentum Menschen - oft erst, nachdem sie den Märtyrertod erlitten hatten - wegen ihres starken Glaubens in einer einzigartigen Weise geschätzt und verehrt. Die Wurzeln des Nothelferkultes sind eng mit den Kreuzzügen (etwa 11. bis 13. Jahrhundert) verknüpft. Im Mittelalter, einer Zeit, in der die gefürchtete Pest um sich griff, kam es zu einer Gruppierung von Heiligen, die alle aus der Ostkriche hervorgegangen sind. Die Nachricht von den Nothelfern aus dem Orient kam durch die Kreuzfahrer in den Westen. Durch die im Mittelalter widrigen Lebensumstände lag es nahe, dass die Menschen die Heiligen um Beistand gegen den «Schwarzen Tod» (1347 bis 1353), Hunger und Krieg baten. Ein Dokument aus dem Jahr 1284 deutet darauf hin, dass in der Stadt Krems an der Donau bereits in dieser Zeit ein Altar zu Ehren der Nothelfer errichtet wurde. So berichtet der Historiker und Pfarrer Dr. Anton Kerschbaumer (1823 bis 1909) in seinem Werk «Geschichte der Stadt Krems» von einem Ablassbrief des Bischofs von Passau - mit Namen Gottfried von Osnabrück - für den «Altar Unserer Lieben Frau in der Kapelle auf dem Berg». Dazu schreibt Kerschbaumer: «Neben erwähnten Altar werden in dem bischöflichen Ablassbrief noch zwei andere Altäre genannt, und zwar die Annakapelle auf dem Frauenberg und der Altar der vierzehn Nothelfer». Diese Trias - heilige Maria und Anna sowie die Nothelfer - standen beim Volk bis in das späte Mittelalter hinein hoch im Kurs. Von Österreich verbreitete sich der Nothelferkult nach Südtirol sowie in den süddeutschen Raum. Die ersten, leider unvollständigen bildlichen Darstellungen lassen sich zwischen 1310 und 1340 in Regensburg nachweisen, wo die Heiligen als Schutzpatrone von Spitälern und Kirchen verehrt wurden. Erst um das Jahr 1400 sind die Nothelfer als geschlossene Gruppe mit vierzehn Heiligen bekannt, die sich später als sogenannte «Normalreihe» durchsetzte. Die Einteilung besteht aus drei weiblichen (Barbara, Katharina und Margareta) und elf männlichen Personen (Achatius, Ägidius, Blasius, Christophorus, Cyriakus, Dionysius, Erasmus, Euchstachius, Georg, Pantaleon und Vitus), wobei bis auf einen alle als Märtyrer starben. Abweichend davon gibt es regional verehrte Nothelfer wie Dorothea, Leonhard, Magnus, Nikolaus, Oswald, Sebastian und Wolfgang.

Regensburg - das Zentrum der Nothelferverehrung

Dass die Reichsstadt Regensburg zu einem frühen Zentrum der Schutzpatrone wurde, ist vor allem dem Bettelorden der Dominikaner und Minoriten zuzuschreiben. Zeugnisse hierfür geben zwei farbige gut erhaltene Glasfenster im Regensburger Dom sowie je eine Heiligenreihe in der Dominikaner- und Minoritenkirche. So dürfte das Nothelferfresko in der südlichen Chorschräge der Dominikanerkirche von Regensburg (um 1330) zu den frühen Nothelfer-Darstellungen gehören. Zudem befindet sich das um 1320 entstandene Glasbild, auch als das «ältere Nothelferfenster» bezeichnet, in der Apsis des Regensburger Doms - es ist das rechte obere Schrägfenster - eine der ältesten Darstellungen dieses Themas. In diesem Glasgemälde sind neben der Muttergottes Maria noch weitere siebzehn Heilige abgebildet. Das zweite Nothelferfenster mit fünfzehn Heiligen, welches sich im nördlichen Seitenschiff befindet, kann weitgehend auf die vierzehn Nothelfer gedeutet werden. Es ist zwischen 1330 und 1340 entstanden. Daher wird dieses Glasgemälde im allgemeinen Sprachgebrauch auch «Jüngeres Nothelferfenster» genannt. In den oberen Reihen dieses Kunstwerkes sind vier Jungfrauen dargestellt. Die ersten beiden können bereits mit ihren individuellen Merkmalen als Margareta mit dem Zeichen des Kreuzes und Katharina mit einem zerbrochenen Rad eindeutig erkannt werden. Im nächsten Teilfenster sind die beiden anderen Jungfrauen Barbara und Dorothea abgebildet. Die genaue Nothelferinterpretation dieses Fensters ist bis heute nicht ganz gesichert. Insgesamt ergeben sich unter den fünfzehn Heiligen zwei Äbte und dreizehn mögliche Märtyrer.

Sankt Barbara und die Barbarazweige

Aus der Runde der Nothelfer ragen drei Frauengestalten heraus. Eine von Ihnen - die Heilige Barbara - erfreut sich bei uns seit Jahrhunderten größter Beliebtheit. Bereits im Jahr 1377 ordnete der Regensburger Bischof Konrad von Haimburg ihre Verehrung zusammen mit Katharina und Margareta an. Viele Mythen und Sagen ranken sich um die historische Gestalt der Heiligen Barbara. Der Legende nach stammte sie aus Nikomedia, dem heutigen türkischen Izmit, östlich von Istanbul. Ihr Vater Dioscuros hatte kein Gespür für Ihre Originalität und sperrte sie daher - wenn er längere Zeit abwesend war - in einen Turm mit zwei Fenstern ein. Während ihrer Gefangenschaft gelang es ihr, einige Handwerker zu überreden, dem Turm noch ein drittes Fenster hinzuzufügen, denn nach ihrer Vorstellung sollten die drei Fenster die göttliche Dreifaltigkeit symbolisieren. Zudem schaffte sie es - entgegen dem Willen ihres Vaters - sich von dem großen Kirchenlehrer Origines aus Alexandrien taufen zu lassen. Barbara wurde - wahrscheinlich im Jahr 306 - von ihrem heidnischen Vater getötet, weil sie sich zum Christentum bekannte. Sie ist die Schutzpatronin der Artilleristen, der Bergleute, der Architekten, der Glöckner und Glockengießer sowie all Jener, die von einem raschen Tod bedroht werden und wird als Jungfrau mit Kelch und Hostie oder mit einem Turm dargestellt. An ihrem Fest, dem 4. Dezember, werden sogenannte «Barbarazweige» von Kirsch- oder Apfelbäumen in eine Vase mit Wasser in die warme Stube gestellt, damit sie dann zum Christfest Blüten tragen. Zum Bereich des Aberglaubens gehört es, dass man Gesundheit, Krankheit oder Tod am Aufblühen oder Verdorren der Barbarzweige ablesen können soll. Eine alte Bauernregel besagt: «Auf Barbara die Sonne weicht, auf Lucia sie wiederum her schleicht. Geht Barbara im Klee, kommt's Christkind im Schnee. Sankt Barbara mit Schnee, im nächsten Jahr viel Klee. Knospen an Sankt Barbara, sind zum Christfest Blüten da».

Die vierzehn Nothelfer auf einen Blick

Achatius (Namensfest: 22. Juni) - Darstellung als Soldat mit Kreuz und Dornenkrone
  Nothelfer bei Zweifel und Todesangst sowie bei Streit und gegen Feuer.

Ägidius (Namensfest: 01. Sept.) - Darstellung als Einsiedler mit einem Pfeil oder einer Hirschkuh
  Nothelfer bei allen Nöten von Leiden und Verlassenheit sowie bei Viehkrankheiten.

Barbara (Namensfest: 04. Dezember) - Darstellung mit einem Turm
   Nothelfer für die Schwerkranken und Sterbenden.

Blasius (Namensfest: 03. Februar) - Darstellung als Bischof mit zwei Kreuzen
  Nothelfer bei Erstickungsgefahr sowie bei Halskrankheiten

Christophorus (Namensfest: 24. Juli) - Darstellung als Riese mit Jesuskind auf seinen Schultern
  Schutzpatron der Reisenden. Nothelfer bei Unwetter und Gefahren, gegen die Pest und bei Schmerzen

Cyriakus (Namensfest: 08. August) - Darstellung als Diakon mit angekettetem Dämon
   Nothelfer bei Versuchungen aller Art sowie bei Zwangsvorstellungen

Dionysius (Namensfest: 09. Oktober) - Darstellung als Bischof mit seinem Kopf in den Händen
  Nothelfer bei Schmerzen im Kopfbereich

Erasmus (Namensfest: 02.Juni) - Darstellung als Bischof mit Schiffwinde und Stab
  Schutzpatron der Seefahrer. Nothelfer bei Bauchschmerzen und Geburtswehen

Eustachius (Namensfest: 20. Sept.) - Darstellung als Jäger mit einem Hirsch
  Schutzpatron der Jäger. Nothelfer für den Naturschutz sowie bei Schicksalsschlägen

Georg (Namensfest: 23. April) - Darstellung als Ritter auf einem Pferd
   Schutzpatron der Reiter. Nothelfer bei Kopfschmerzen.

Katharina (Namensfest: 25. November) - Darstellung als Jungfrau mit einem zerbrochenem Rad.
  Schutzpatronin aller Studierenden und Gelehrten. Nothelferin bei vielen Krankheiten.

Margareta (Namensfest: 20. Juli) - Darstellung mit einem Drachen bzw. Wurm
  Schutzpatronin der Bauern, Hirten und Frauen. Helferin bei Schwierigkeiten der Geburt.

Pantaleon (Namensfest: 27. Juli) - Darstellung als junger Mann mit genagelten Händen
  Schutzpatron der Kranken, Hebammen und Ärzte. Nothelfer bei Kopfschmerzen

Vitus (Namensfest: 15. Juni) - Darstellung als junger Mann mit Ölkessel und Hahn
  Nothelfer bei Nervenkrankheiten, Epilepsie, Veitstanz, Augenkrankheiten und Unfruchtbarkeit.

Verdoppelung der Zahl Sieben

Die Wurzeln der Nothelferverehrung haben eine längere Entwicklung hinter sich, bis sich endgültig nach der Erscheinung von Frankenthal, die Zahl 14 durchsetzte. Sie ist voller Symbolik und in vielen Religionen spielt sie eine zentrale Rolle. In der heiligen Vierzehn steckt zweimal die Zahl sieben, welche sich in den sieben Sakramenten und sieben Gaben des Heiligen Geistes widerspiegelt. Zudem gibt es sieben Wochentage, sieben Tugenden, sieben Seligpreisungen sowie sieben Todsünden. Und auch der Kreuzweg Jesu umfasst bis zum Berg Golgatha 14 Stationen. Die vierzehn Nothelfer sind in bestimmten Notlagen angerufen worden. Gemeinsam haben sie alle ein besonders Merkmal: Auf ihren Darstellungen sind auffällige Attribute abgebildet, die an ihren Leidensweg erinnern sollen.

Die Erscheinung von Frankenthal

Nach einer alten Sage erschien dem Schäfer Hermann Leicht auf einer Weide des Klostergutes Frankenthal der Zisterzienserabtei Langheim am 24. September 1445 gegen Abend ein weinendes Kind. Als er auf das Kind zuging, verschwand die Erscheinung. In einer weiteren Vision sah er das Kind abermals, diesmal eingerahmt von zwei Kerzen. Am 28. Juni 1446 erschien ihm das Kind zum drittel mal. Es war umgeben von vierzehn weiteren Kindern und trug ein rotes Kreuz über dem Herzen. Das Kind sagte zu dem Schäfer: «Wir sind die vierzehn Nothelfer und wollen eine Kapelle haben». Danach verschwanden die Kinder in den Wolken. Noch im selben Jahr stellten die Menschen an diesem Ort ein Kreuz auf. Etwas später wurde bereits das erste Wunder vollzogen. Eine todkranke Frau erfuhr nach Anrufung der Nothelfer eine Heilung. Das Mysterium verbreitete sich rasch. Viele Menschen kamen darauf hin nach Vierzehnheiligen im Frankenthal in der Nähe von Bad Staffelstein. Augrund der vielen Pilger baute man am Ort der Erscheinung eine kleine Kapelle, die jedoch im Jahr 1525 dem Bauernkrieg zum Opfer fiel. Anfang des 18. Jahrhunderts entstand der Wunsch nach einer größeren Wallfahrtskirche, dem dann im Jahre 1772 mit der Errichtung der Basilika Vierzehnheiligen Rechnung getragen wurde. Noch heute zählt die von Balthasar Neumann errichtete Basilika zu den bedeutendsten deutschen Barockkirchen und wird von mehr als einer halben Million Pilgern pro Jahr besucht.

Der heilige Sebastian

Mancherorts verehrte man statt den vierzehn Nothelfern auch fünzehn oder mehr wie beispielsweise Dorothea, Leonhard, Magnus, Oswald, Nikolaus, Wolfgang oder Sebastian. Gelegentlich wurde auch ein Nothelfer gegen einen anderen ausgetauscht. So kam es im Laufe der Zeit zu regionalen Abweichungen der Nothelferverehrung. Der heilige Sebastian wurde im Mittelalter als ein großer Schutzpatron gegen die Pest angesehen. Der Legende nach war er ein römischer Offizier, der wegen seines Übertritts zum Christentum um das Jahr 300 den Märtyrertod starb. Er wurde nackt an einen Pfahl gebunden und mit Pfeilen durchbohrt. Auch heute noch gibt es viele Kirchen, Kapellen und Altäre die seinen Namen tragen. Er ist der Nothelfer der Schützen, Polizisten und Soldaten sowie der kranken Kinder und der Sterbenden. Sein Gedenktag wird auf den 20. Januar datiert.

Weiterführende Literatur!

Das Buch der Heiligen, Ein Schutzpatron für jeden Tag
Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Verlag: National Geographic

Kurzbeschreibung
Menschen, die für ihre Überzeugungen einstehen, auch wenn sie dafür ihr Leben einsetzen müssen. Heilige, im Wortsinn oder ideell, Katholiken, Orthodoxe oder andere Helden ihrer Zeit: NATIONAL GEOGRAPHIC hat sie erstmals in einem Band versammelt, mit einem Schutzpatron für jeden Tag des Jahres, packend beschrieben und kunstvoll illustriert mit Bildern von Botticelli und El Greco. Von der Jungfrau Maria, der Mutter aller Heiligen, über Glaubenskämpfer, Missionare und Wohltäter bis zu Persönlichkeiten wie Martin Luther King Jr. Ein Kunstbuch für kleine und große Erleuchtungen des Alltags, das etwa den Mythos St. Martin erhellt, die Bedeutung der Muschel für die Jakobsweg-Pilger und warum Jeanne d Arc für viele Franzosen brillanter ist als ihr Staatspräsident.